107 Wilde Felder - Bookart

UNIKATBÜCHER
GERHARD MULTERER
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107 Wilde Felder

Ebene 2
Für diesen Monolog muss ich nicht denken,
aber empfinden kann ich in einer Art von Weise,
die auf mich wirkt wie jene Wahrheit,
wie Not und Überfluss, wie Krieg und Frieden,
aber immer mit der Distanz einer höheren Ordnung.
Holperige Straßen enden in meinen wilden Feldern,
ausgebrannte Panzer rosten vor sich hin.
Ich bin eine Transitzone, der Übergang
von einer letzten Gemeinsamkeit ins namenlose Nichts.
Dahinter liegt Asien.
Europäer werden hier nicht von allen erwartet,
aber Begegnungen finden statt, als seien sie etwas Besonderes.
Wer hier sucht, kann hier alles finden in gewisser Weise.
Manche glauben, ich wäre Niemandsland
Doch es gibt kein Niemandsland.
Die Erde hat ein Gedächtnis.
Ich wurde oft verletzt.
Heute zähl ich meine Narben - mit einem Khipu,
in einem Buch ohne Seiten.
Tausend Jahre wurden mir Menschen gestohlen.
In mir schluchzen die Knochen der nackten Toten
im Rhythmus ihrer Klarinetten,
und Wunden, die ihre Peitschen schlugen.
Du findest Lederstiefel, die lautlos Grashalme brachen,
und den Tod zurückließen.
Geschichte löscht keine Geschichte.
Zeit wird mich verändern aber nicht geradlinig wie im Westen.
Zeit ist mir gar nichts - Jahreszeiten vielleicht!
gerhard@multerer.org
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